In seinem bescheidenen, einfachen Alltagsgewand war ein Mullah zu dem Fest eines angesehenen Mitbürgers gegangen. Um ihn herum glänzte die schönste Garderobe aus Seide und Samt.

Geringschätzig musterten die anderen Gäste seine dürftige Kleidung. Man schnitt ihn, rümpfte die Nase und drängte ihn fort von den herrlichen Speisen des Buffets.

Geschwind eilte der Mullah nach Hause, zog seinen schönsten Kaftan an und kam zurück auf das Fest, würdiger als einer der Kalifen.

Welche Mühe gab man sich nun um ihn! Jeder versuchte, mit ihm ins Gespräch zu kommen oder wenigstens eines seiner weisen Worte zu erhaschen. Es schien, als sei nun das Buffet für ihn allein gedacht. Von allen Seiten bot man ihm die schmackhaftesten Speisen an.

Statt sie zu essen, stopfte der Mullah sie in die weiten Ärmel seines Kaftans. Genauso schockiert wie interessiert bestürmten ihn die Leute mit der Frage: „O Herr, was machst du da? Warum isst du nicht, was wir dir anbieten?“

Der Mullah fütterte weiterhin seinen Kaftan und antwortete gelassen: „Ich bin ein gerechter Mensch, und wenn wir ehrlich sind, gilt eure Gastfreundschaft nicht mir, sondern meinem Kaftan. Und der soll nun erhalten, was er verdient.“

Quelle: Nach dem persischen Dichter und Mystiker Saadi, der im 13. Jahrhundert lebte. Aus: Nossrat Peseschkian, Der Kaufmann und der Papagei. Fischer Taschenbuch, Frankfurt 1979.


Für’s Coaching sind Geschichten hervorragend geeignet, denn: sagen lassen sich die Menschen nichts. Aber erzählen kann man ihnen alles!

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